Buddhismus: Tod, Angst und das Selbst ...
Das Unvermeidliche
Sterben müssen wir alle, so viel ist gewiss. Damit hört (für manche Religionen, Glaubensrichtungen und Atheisten) das Selbst, das persönliche Ich auf zu existieren, auch wenn das schwer vorstellbar und für die meisten die an so ein Szenarium glauben, beängstigend ist. Einige Religionen versuchen der ausweglosen Endgültigkeit den Schrecken zu nehmen, indem sie -wie etwa Christen- an eine unsterbliche Seele glauben, die im Jenseits -nach dem Tod des physischen Körpers- weiterlebt.
Eine unsterbliche Seele gibt es auch im Hinduismus; allerdings braucht sie einen neuen Körper, in dem sie wiedergeboren wird (Reinkarnation). Eine ganze andere Idee und Vorstellung propagiert der Buddhismus. Buddhisten glauben grundsätzlich nicht an ein stabiles Ich, das von Geburt bis zum Ende und darüber hinaus dasselbe bleibt. Deswegen -so die buddhistische Lehre- müsse man eigentlich auch keine Angst vor dem Tod haben. Das Selbst sei eine Illusion, in Wahrheit ist alles im Fluss und verändert sich ständig.
Vereinzelt taucht diese Idee auch bei westlichen Denkern auf. Der schottische Philosoph David Hume zweifelte schon im 18. Jahrhundert am Konzept einer persönlichen Identität, genauso wie der erst vor einem Jahr verstorbene Derek Parfit. Wenn es keine Kontinuität der menschlichen Erfahrungen gibt, so Parfit, müsse man auch den Tod nicht fürchten. Denn das Subjekt, das stirbt, ist ein anderes als jenes, das zu Lebzeiten davor Angst hat. Das ist nach Ansicht des britischen Moralphilosophen nur einer der Vorteile dieser Weltsicht. Wenn man sich nicht egozentrisch auf seine Identität konzentriert, öffnet das außerdem den Blick für andere Menschen (! - womit er scheinbar nicht recht hat).
Ein instabiles Selbst macht eher Angst
Lässt sich die Todesangst tatsächlich mit Weltanschauungen in Schach halten? Das war eine der Fragen, die ein Team um den Philosophen Shaun Nicols von der University of Arizona nun mit einer Studie beantworten wollte.
Hintergrund: Für die Studie wurden weltweit Menschen befragt: Hunderte Mönche, die nach der Lehre des tibetischen Buddhismus im indischen Exil leben, außerdem Laienbuddhisten, Hindus, US-amerikanische Christen und Atheisten. Dabei widmeten sich zwei Erhebungen der Vorstellung des Ichs. Wie erwartet war die Identität in den Augen der buddhistischen Mönche nichts Kontinuierliches bzw. Stabiles. Den stärksten Glauben an ein unveränderliches „Kernselbst“ hatten die US-Amerikaner, egal ob gläubig oder konfessionslos.
Angst vor Selbst-Verlust
In den nächsten Fragerunden ging es dann konkret um die Angst vor dem Sterben, besonders um die Angst vor dem Verlust des Selbst bzw. der Persönlichkeit durch den Tod. Zur großen Überraschung der Forscher war diese Furcht bei den buddhistischen Mönchen am stärksten ausgeprägt.
Ähnlich fielen auch die Ergebnisse des nächsten Gedankenexperiments aus: Die Teilnehmer mussten entscheiden, ob sie todkrank ihr eigenes Leben mit einer Tablette um einige Monate verlängern oder die Pille lieber einem Fremden überlassen würden, der dadurch sogar Jahre länger leben könnte. Besonders die buddhistischen Mönche scheinen sehr am eigenen Leben zu hängen. Ergebnis: Die Mehrheit, 72 Prozent,hätten die Medizin lieber für sich selbst verwendet, bei den ungläubigen US-Amerikanern (am anderen Ende der Skala) waren es hingegen nur 31 Prozent.
Warum Mönche so am Leben hängen-
wie lassen sich diese unerwarteten Ergebnisse erklären? Es könnte natürlich sein, dass die Mönche ehrlicher geantwortet haben als die anderen Befragten. Allerdings sei es wenig wahrscheinlich, dass Hindus, Christen und Atheisten allesamt unehrlich sind. Vielleicht halten die Buddhisten ihr eigenes Leben für wertvoller als das von anderen. Auch das ist in den Augen der Forscher nicht wirklich plausibel.
Erklärungsversuch: Am wahrscheinlichsten sei ein paradoxer Effekt als Folge der buddhistischen Lehre, der im Widerspruch zwischen inneren Ängsten und äußeren Haltungen liegt. Über ihre Erinnerungen und Reflexionen haben die Mönche vermutlich ein ebenso starkes Gefühl der ICH-Identität wie die meisten anderen Menschen auch. Ein Blick in die Literatur des tibetischen Buddhismus zeige, wie wichtig Autobiographien und damit persönliche Erfahrungen und Erlebnisse für die Verbreitung der Ideen sind. Der Eindruck von der Kontinuität eines biologischen Lebens könnte der ideologischen Überzeugung vom illusorischen Selbst entgegenstehen, schreiben die Autoren. Im Gegensatz zu Christen oder Hindus - die darauf hoffen können, dass ihre Seele nach dem Tod irgendwie weiterlebt - bedeutet der Tod für Buddhisten dann das endgültige Aus, was wiederum ihre größere Angst erklären könnte.
Tatsächlich machen traditionelle Buddhisten einen Unterschied zwischen intuitiver und philosophischer Selbstreflexion. Erstere lasse sich nur durch ausgiebige Meditation abschütteln. Das sei auch eine der Einschränkungen der Studie, erklären die Forscher. Denn die teilnehmenden Mönche meditierten zwar täglich - und schon längere Zeit hindurch, sie waren aber keine Meditierenden mit langjähriger Erfahrung.
Quellen: ORF, Death and the Self, Cognitive Science, 2018
Bildlquelle: ORF/ZIB, pixabay-Symbolbilder
Link: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/cogs.12590
Link, 6 Seiten PDF: https://onlinelibrary.wiley.com/action/downloadSupplement?doi=10.1111%2Fcogs.12590&attachmentId=213827925
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* Anm.: UNIQisten glauben an ein unveränderliches „Kernselbst“ ein stabiles Ich das den Tod des organischen Körpers überlebt. Dieser Glaube basiert auf meditativer Selbsterfahrung (Techno-Meditation) und aus den Erkenntnissen der modernen Quantenphysik.