Jedes Gefühl, jeder Gedanke, jede Erinnerung und jede Absicht - darin sind sich die meisten Neurowissenschaftler einig - lassen sich auf feinorchestrierte elektrische und biochemische Impulse zurückführen.
Mehr noch: Diese Regungen, in dem rund 100 Milliarden Nervenzellen umfassenden Netzwerk des menschlichen Gehirns, lassen sich oft bis zu einer Sekunde (neue Studien zeigen mehr als eine Sekunde) früher nachweisen als sie der betreffenden Person bewusst werden.
Dies rührt an den Grundfesten des menschlichen Selbstverständnisses. Der Berliner Hirnforscher Prof. Dr. Gerhard Roth ist daher davon überzeugt, dass wir von der Vorstellung, dass es einen freien Willen im traditionellen Sinne gibt, endgültig Abschied nehmen müssen." Zwar bestreitet niemand von den Forschern, dass der Mensch Handlungen planen und Alternativen abwägen könne.
Ob, wie und wann wir dann aber schließlich handeln, bestimmen zum Großteil unbewusste Vorgänge im Gehirn. Und es zeigt sich, dass dieses Unbewusste eine viel größere Rolle spielt als bisher angenommen." ...
Der freie Wille ist nur ein Märchen des Gehirns
Das Gehirn kann nach Ansicht vieler Forscher dem menschlichen Bewusstsein sogar das Gefühl vorgaukeln, autonom zu handeln, obwohl es manipuliert wurde. Mehrere Untersuchungen weisen darauf hin, dass man den freien Willen durch gezielte Stimulationen in diesem supplementär-motorischen Areal künstlich erzeugen kann," erklärt Gerhard Roth. Wenn man die richtige Stelle im Gehirn elektrisch reizt, heben die Leute beispielsweise ihren Arm und behaupten dann, sie hätten diese Bewegung selbst gewollt."
Nun fragt sich: Was aber ist dann mit dem Gefühl, ein Ich zu sein?
Gibt es, sagen die Forscher. Es habe mit der Evolution vom Affen zum Menschen zu tun, während der die Großhirnrinde dramatisch zugenommen hat", erläutert der Neurobiologe Prof. Dr. Wolf Singer vom Frankfurter Max-Planck-Institut für Hirnforschung. Die hinzugekommenen Hirnabschnitte ermöglichen es dem Menschen unter anderem, Bilder und Szenen vor dem geistigen Auge ablaufen zu lassen und somit die eigenen Handlungen zu planen und die anderer Menschen abzuschätzen.
Auf das Phänomen wurde man durch das sog. Libet-Experiment aufmerksam. Doch wie man es auch betrachtet, ganz verstehen wir das was wir als Bewusstsein bezeichnen noch lange nicht. Zu viele Rätsel, zu viel was nicht stimmig zusammenpasst.
Die beiden Videos (oben) zeigen: Schon Sekunden vor einer bewussten Entscheidung, trifft unser Gehirn im Unbewussten vorab die Auswahl. Das Bemerkenswerte an diesem Versuch ist, dass der Zeitpunkt, zu dem uns eine Handlungsabsicht bewusst wird, in jedem Fall deutlich nach dem Punkt liegt, an dem unser motorischer Kortex (für Bewegungen zuständig) die Bewegung schon vorzubereiten beginnt.
Quelle ©: IPN/UNIQ-Aeternus u. div. Publikationen
Videos: YouTube
Bildquelle ©: IPN-Bildwerk bearbeitet
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